Tag -3: Das Kaninchen kommt angehoppelt
Ein gewaltiger Zeitsprung und plötzlich befinden wir uns an Tag -3 der Reise zum Neustart ins Leben. Obwohl ich mir vorgenommen habe, jeden Tag so gut als möglich festzuhalten, haben mein Körper und auch der Tagesablauf hier andere Pläne gehabt. Die Geschichte vom Kaninchen, das mich an Tag -3 besucht hat, möchte ich euch dennoch nicht verwehren.
Nach den anfänglichen Tagen mit Chemotherapie, Lasertherapie und kontinuierlicher Flüssigkeitszufuhr über meinen Schlauch, der nun den schönen Namen "Marsupilami" trägt (danke an dieser Stelle für eure Anregungen; Kinder der 90er kennen die Kindersendung bestimmt dazu), folgte eine Überraschung. Eine zusätzliche Therapieform, genannt ATG (Antithymozytenglobulin) stand nun auf der Tagesordnung. Es handelt sich dabei um ein Serum, das aus Pferden oder Kaninchen gewonnen wird und dafür sorgen soll, menschliche T-Lymphozyten (Zellen des Immunsystems) anzugreifen und damit auszuschalten. Diese Therapie stand für 3 Tage zusätzlich zur Chemotherapie und dem Beginn der Immunsuppression (Unterdrückung des Immunsystems um keine Abstoßungsreaktion hervorzurufen) nun am Plan. In meinem Fall wurde Kaninchenserum verwendet, das allerdings am ersten Tag auf sich warten ließ. Das weiße Kaninchen aus Alice im Wunderland hat scheinbar wieder einmal seine Taschenuhr nicht richtig nachgestellt und kam wieder mal zu spät.
Die großen Ankündigungen über die Nebenwirkungen und körperlichen Reaktionen, welche auf das ATG folgen könnten machten die Wartezeit nicht gerade besser. Erst Abends traf das Kaninchen ein und wurde mir mit einer Kombination aus schläfrig machenden Mitteln verabreicht. Und hier war er wieder der Kontrollverlust über den Körper, denn für mich war dadurch ab 19 Uhr Nachtruhe und ich döste weg. Einige Stunden später kam dann der Schüttelfrost und das leichte Fieber, die angekündigten Nebenwirkungen. Ich stellte mir kleine weiße Killerkaninchen vor, die durch meine Blutbahn hoppelten und meine Zellen auffraßen, die sich um alles in der Welt noch wehren wollten. Der Spuk war gegen 1:00 Uhr dann vorbei, der Hase ist in sein Körbchen gekrochen und meine erste Begegnung mit dem Kaninchen, die auch die schlimmste bleiben sollte, war geschafft.
Hiermit begann auch die Talfahrt meines Körpers, der sukzessive Zellen abbaute, um sich für neues Leben in Form von Stammzellen bereit zu machen.
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Ich denk ganz fest an dich 🍀