Niemandsland
- Jasmin Poschmaier
- vor 2 Tagen
- 2 Min. Lesezeit
Ein Schritt auf den Nebel zu und ich befinde mich im Niemandsland, in einer Art Zwischenwelt.
Gerade galt ich noch als Überlebende, sogenannte "Cancer Survivor", und im nächsten Augenblick bin ich Wiederholungstäterin und gelte wieder als Krebsbetroffene.
Zu welcher Statistik zählt man Menschen wie mich?
War ich überhaupt jemals Cancer Survivor? Was sind die Voraussetzungen dafür?
Ich komme mir beinahe heuchlerisch vor, wie eine Blenderin, die nur so getan hat als ob.
Die Rolle der Überlebenden perfekt gespielt und inszeniert: über den siegreichen Kampf gesprochen, Erfahrungen und Geschichten geteilt, Mut gemacht und Menschen begleitet. Als Heldin und Vorbild gefeiert habe ich all diese Tipps gegeben, Vorträge gehalten und ein Buch geschrieben, bis die Falltür auf der Bühne aufgegangen ist und mir den Boden unter den Füßen weggezogen hat.
Will mich der Krebs zum Schweigen bringen? Habe ich je zum inneren Kreis der Überlebenden gehört oder war ich doch nur eine Zuschauerin in der letzten Reihe, die versucht hat sich vorzudrängen?
Ich werde umhüllt von diesem grau-schwarzen Nebel und stelle Fragen, auf die ich keine Antworten bekomme oder zumindest nicht jene, die ich mir erhoffe. "Ungewissheit" haucht es mir in den Nacken. Angst und Verzweiflung zerren zu meinen beiden Seiten an mir und wollen mich mit sich reißen. Ich schaue nach hinten zu diesem vermeintlich gesunden Leben, das noch so greifbar nah zu sein scheint, dass ich bloß umdrehen und zurückgehen müsste, aber ich stehe im Nebel des Niemandslands, diesem Zwischenstatus und komme nicht weiter. Ich schaue also in den Nebel und nehme Stimmen wahr - das Ärzteteam- das mich in das Duell der zweiten Runde begleitet. Mit lila Cocktails haben sie mich in den Ring geschickt, die mein Innerstes aufräumen und dabei wieder alles an Zellen, Gut wie Böse, auffressen sollen. Auch unseren Zellen (meiner Spenderin und mir) geht es an den Kragen. Ich stehe mit geballten Fäusten gegen einen Gegner, der sich gestaltlos und unsichtbar im Nebel bewegt. Ich fühle mich allein, kann die Ärzte nicht mehr hören, ihre Worte nicht verstehen, die Antworten nicht meinen Fragen zuordnen und nichts nimmt mir den Hauch der Ungewissheit. Sie ist überall im Nebel und dieses Mal fehlt mir der Blick und die Klarheit. Ist Krebs ein dauerhafter Begleiter? Kann es da vorne eine Welt ohne Krebs für mich geben? Ohne Rückfälle mit einem langen erfüllten Leben? In Sicherheit?
Das war bereits der Plan und das Ziel 2023, mit Ablaufdatum ....
Dieses Mal ist etwas anders, Zuversicht und Stärke in den Worten meiner Mannschaft fehlen, halten sich bedeckt wie der Nebel selbst.
Eine andere Welt ist nicht nur möglich, sie ist auf dem Weg.
An stillen Tagen kann ich sie atmen hören.
(Arundhatiroy)
Ich halte den Atem an und lausche in den Nebel hinein. Vielleicht kann ich die neue Welt hinter dem Nebel dann atmen und ihr Herz schlagen hören?




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