Die holprige Fahrt durchs Tal...Zellen in Sicht?
Die Fahrt geht weiterhin durch ein holpriges Tal mit Schlaglöchern, Hindernissen, hin und wieder aber auch ebenen und geraden Strecken aber zahlreichen Geschwindigkeitsbeschränkungen. Wir befinden uns am Tag +9 und meine Hoffnung auf die kommende Woche, dass sich eventuell ein paar Zellen sehen lassen, steigt. Ich lasse diesen Körper los und ihn das erledigen, was notwendig ist, um neu starten zu können. Dabei hoffe ich jeden Tag aufs Neue, dass die Beschwerden nicht zu schlimm werden und es bald wieder vorbei ist.
Der Arzt bezeichnet diese Phase als "Tal der Tränen", da hier nicht nur die Aplasie des Körpers im Vordergrund steht, sondern auch der Umstand, dass sich nun auch die Nebenwirkungen der Hochdosischemotherapie, welcher der Transplantation vorausgegangen ist, bemerkbar machen. Es trifft nun eine Menge auf diesen schwachen Körper ein, der viel Unterstützung braucht und gleichzeitig aber auch alleine da durch muss. Manche Beschwerden kommen und gehen wieder, andere bleiben für Tage. Eine holprige Straße auf der ich mich fortbewege. Vollgepackt mit einem Erste Hilfe Kasten im Auto und Überlebensequipment bestehen meine Tage nun darin, dafür zu sorgen, dass keine Infektionen oder Keime durch mangelnde Hygiene auftreten können. Und dafür gibt es eine Palette an Helferleins:
Mundspülungen mehrmals täglich gegen die Mukositis (Schleimhautentzündung im Mund)
1x täglich Lasertherapie gegen die Mukositis
Zinksalbe für meine Haarfollikelentzündung, die mittlerweile abgeheilt ist
4x täglich Antibiotika über den ZVK
Eine volle Medikamentenschachtel morgens-mittags-abends
2x täglich ein Immunsuppressivum gegen die Abstoßung des Transplantats (wodurch meine Hände zu brennen beginnen)
Spezielle Intimpflege bei jedem WC-Besuch
Salbe gegen Hautausschlag
je nach Bedarf anhand des Blutbilds gibt es Blutkonserven, Thrombozyten und/oder Elektrolyte
Schmerzmittel jederzeit bei Bedarf
Weiters sollte man sich auch bezüglich Ernährung daran halten nach 24 Stunden etwas nicht mehr zu essen oder trinken. Nachdem ich derzeit sowieso Probleme mit dem Appetit aufgrund von Geschmacksveränderungen habe, esse ich weder viel noch locken mich die mitgebrachten Süßigkeiten.
Die Tage hier sind ein Abbild der Landschaft eines holprigen Tales. Auch wenn es Tage gibt, die geprägt von Fieber und Schmerzen sind und oftmals jeden Tag etwas Neues dazu kommt, so überwiegen meine guten Tage durchaus, an denen ich nicht locker lasse, versuche diesen Körper zu bewegen, der mir jedoch immer mehr zeigt, dass er schwächer wird, Muskulatur abbaut und mittlerweile auch schmerzt.
Eine neue seltsame Erfahrung für mein doch junges Alter macht sich breit. Meine Bewegungen werden langsamer, schmerzen, ich komme mit Mühe und eher unbeholfen aus dem Bettchen, stelle die ersten Wehwehchens fest und wackle langsam Richtung Dusche. Nach der Morgentoilette bin ich oftmals das erste Mal bereit für eine Pause. Verschiedene Stellen meines Körpers schmerzen, ohne dass ich Einfluss darauf nehmen kann, was auch als Therapeutin unbefriedigend ist. Nach zwei schlaflosen Nächten mit starken Schulter-Arm-Schmerzen frage ich mich ob sich so das Leben einiger Senior*innen jeden Tag anfühlen muss. Der Umgang mit Schmerzen ist für mich nicht nur ein überaus neuer, da ich zum Glück in meinem bisherigen Leben von diese verschont wurde, sondern auch ein zu erlernender. Mit dem Schmerz umzugehen oder eher ihn als Teil der Reise zu akzeptieren ist wohl die größte Herausforderung.
Am Ende dieses Tales werden meine Zellen sein, aber wie weit bin ich schon gekommen? Stecke ich noch mittendrin oder ist bereits ein Ende, ein Licht sichtbar? Kann ich meine Zellen vielleicht sogar schon wachsen spüren, wenn ich meinem Körper lausche? Nächste Woche könnte es soweit sein, meint der Arzt, es bleibt also spannend....wann kommt ihr liebe Zellen?!
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