Die magische 2-Wochen-Marke
- Jasmin Poschmaier
- 15. Dez.
- 2 Min. Lesezeit
Ich befinde mich nun seit 18 Tagen in meinem roten Rapunzelturm und während die Tage bisher auf irgendeine Weise rascher an mir vorübergezogen sind, so scheint sich das Zeitkontinuum ab dem 14. Tag auf einmal zu ändern.
In 2 Wochen beginnt man sich langsam in einer neuen ungewohnten Situation einzufinden. Vergleichen wir es doch mal mit einem All-Inclusive Urlaub: Zunächst befindet man sich auf unbekanntem Territorium, kann sich nur schwer orientieren und fühlt sich noch wie der Neuankömmling verglichen mit jenen Gästen, die bereits wissen, wer die größten Portionen am Buffet verteilt, die besten Cocktails mixt und sich ihren Platz am Strand bereits hart erarbeitet haben. In der ersten Woche überschlagen sich die Ereignisse, denn alles ist neu und es passiert ein Abenteuer nach dem nächsten. Nach und nach entwickelt man eine Art Zugehörigkeit zum Kreis der Elite und auch eine ganz eigene Struktur, nach der sich jeder Tag gestaltet.
Mein Leben auf der hämatologischen Station mag dabei in einigen Punkten sehr ähnlich funktionieren: In 2 Wochen gewöhnt man sich an seine Zimmerkolleginnen (außer an das Schnarchen der Nachbarin, hier tritt bei mir kein Gewöhnungseffekt ein), die Abläufe und Spielregeln, weiß wen man am besten bei bestimmten Themen fragen kann und wen lieber nicht. Gleichzeitig löst diese beginnende Routine und Gewohnheit bei mir einen Fluchtdrang aus. Nachdem einige Nebenwirkungen wie sie gekommen sind auch wieder gegangen sind und es mir den Umständen entsprechend "gut" geht, beginne ich die Tage vor und rückwärts zu zählen und mir auszumalen, wie lange es denn noch dauern könnte bis es nach Hause geht.
Wie die Golden Girls sitze ich mit zwei weiteren Patientinnen vor dem Stützpunkt und tausche Gedanken aus. Die meisten ranken sich, wie man sich vorstellen kann ums Heimgehen vor Weihnachten. Es werden Tage zusammengezählt, Selbstprognosen über das anstehende Zellwachstum gestellt und der Zeitpunkt über das erneute Einchecken im "3 Sterne Häma-Club" diskutiert. Ich seufze innerlich über diese seltsame Routine, die sich einstellt und die ich eigentlich nicht mehr in meinem Leben haben wollte. Seitdem ich die 2-Wochen-Marke überschritten habe, ziehen sich die Tage in der Gegenwart gefühlt wie Kaugummi dahin, während ich rückblickend bereits einen großen Meilenstein hinter mich gebracht habe: den ersten Chemozyklus.
Während es zu würdigen gilt, was mein Körper bereits geleistet hat und weiterhin tagtäglich in meinem Inneren für mich bewerkstelligt, brauche ich nun auch all meine mentale Stärke und Willenskraft um dranzubleiben und mich nicht dem zähen Kaugummizustand der Gegenwart hinzugeben.



Liebe Jasmin
Ich bin per Zufall mal wieder auf deinem Blog gelandet, nachdem ich zurück an den Kongress in Portugal gedacht habe.
Es tut mir sehr leid zu hören, dass sich dein Leben auf den Kopf gestellt hat und nun ganz anders läuft als du dir das vorgestellt hast! Gleichzeitig freut es mich zu hören, dass du den ersten Chemozyklus bewältigt hast.
Ich möchte dir trotz allem eine hoffentlich erholsame und entschleunigte Weihnachtszeit mit deinen Liebsten wünschen, gutes Essen und Trinken, wertvolle Gespräche und viel gemeinsames Lachen.
Ich drücke dir und deinem Umfeld weiterhin die Daumen!
Ganz liebe Grüsse aus der Schweiz!
Karoline