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Bodypositivity - Meine neue Liebe zu meinem Körper

"Mir fällt auf, Sie haben die gesamte Therapieeinheit lang von DIESEM Körper gesprochen, ihn allerdings nicht als MEINEN bezeichnet. Ohne ihren Körper können Sie aber gar nicht sein", höre ich meine Therapeutin sagen.

Und da ist es wieder, dieses Gefühl, das mich seit Längerem schon begleitet: Dysbalance, Uneinigkeit, Zerbrochen. Mein Körper -um hier bereits meine Sprache richtig zu verwenden und meinen Körper als den eigenen anzunehmen- hat mich vor unvorstellbare Herausforderungen gestellt und meine einzige Aufgabe war und ist es, seine Zeichen richtig zu deuten, darauf zu reagieren und mich um ihn zu kümmern. "Es ist, als ob ich neben meinem Körper stehe, ihn argwöhnisch von draußen betrachte, aber nicht Bewohnerin davon bin", antworte ich nach dieser kurzen Denkpause. "Nichts fühlt sich mehr wie vorher an, die gewöhnlichsten Dinge. Alles ist fremd, irgendwie anders und ich fühle mich auch nicht als Frau. Ich erkenne mich selbst im Spiegel nicht wieder." Der Vergleich mit meinem früheren Ich, dem alten Körper sucht mich bei jedem Blick in den Spiegel heim. Ich habe vorher auch nicht unbedingt ein positives, wertschätzendes und liebevolles Verhältnis zu meinem Körper gehabt, aber mein neues Erscheinungsbild anzunehmen fällt mir zum Teil richtig schwer und plötzlich schätze ich meinen früheren Körper mehr denn je.


Seit ich nach Hause gekommen bin hat sich nochmals vieles in und außerhalb meines Körpers getan. Ich habe mich schon öfter gefragt, ob all die inneren Vorgänge, die unsichtbar über die Bühne gehen, sich auch äußerlich zeigen. In meinem Inneren wird das Alte vom Neuen abgelöst, eine Veränderung findet statt, logisch dass dies auch im Außen sichtbar wird, oder?!

Neben den körperlichen Reaktionen und Beschwerden, die immer wieder an der Tagesordnung stehen, hat sich mein Körper auch mehrfach äußerlich verändert.


Das Haar floriert -Ungeniert Unrasiert?

Ein gutes Beispiel sind meine Haare. Während ich mich über jedes einzelne zusätzliche Haar auf meinem Kopf freue und seit Kurzem das Selbstvertrauen gewonnen habe, ohne Kopfbedeckung das Haus zu verlassen und meinen neuen, einzigartigen Look definiere, so sind die Härchen leider auch an anderen Stellen wieder zurückgekommen. Einer der, sagen wir mal "Vorteile" der Chemotherapie war der vollkommene Verlust meiner gesamten Körperbehaarung. Was für eine Zeitersparnis im Bad, was für ein weiches, zartes Gefühl auf der Haut. Plötzlich kamen mit den Kopfhaaren nicht nur die Haare an Beinen und Co. wieder zurück, nein am ganzen Körper legte sich ein Flaum aus zarten, weißen Härchen über mich. Hallo "Yeti"-Kostüm! Ich stehe im unbarmherzigen LED-Licht meines Badezimmers, das die weißen Härchen an den Wangen hervorstechen lässt. Ich greife den Rasierer und überlege einige Minuten lang, komme jedoch zu dem Schluss, dass meine Tollpatschigkeit und Neigung zu Verletzungen mit dem Rasierer die schlechteste Ausgangslage für ein solches Unterfangen darstellt. Ich hole mir stattdessen Feedback aus meinem Umfeld, das mir versichert, es sei auch nur im richtigen Winkel und Licht sichtbar und höre mich bei anderen Betroffenen um. Scheinbar gehöre ich damit zum "Yeti"-Club, bis ich meine Medikamente absetzen kann, dann fallen die Haare auch auf magische Art und Weise aus. Bis dahin heißt es für meine Eitelkeit also: Bodypositivity; jeder Körper ist schön und einzigartig wie er ist. Immerhin gibt es ja auch den Trend seine Körperbehaarung vollkommen stehen zu lassen, da werden ein paar Härchen im Gesicht wohl nicht so schlimm sein.


Ein Date mit meinem Körper

Nachdem meine Therapeutin mir zu einem liebevollen Umgang mit meinem Körper geraten hat, damit er auch wieder MEIN Körper wird, habe ich mich vor dem Spiegel betrachtet und versucht ein positives Gesamtbild von mir zu zeichnen.

Da sind Narben an meinem Hals, am Bauch und an meinem Becken. Kleine, aber sichtbare Spuren der Schlachten, die geschlagen wurden. Wenn ich in mein Gesicht schaue, erkenne ich jedoch dieselben strahlenden blauen Augen, die Feuer und Leidenschaft in sich tragen und mein Lächeln habe ich auch nicht verloren, das kommt mir doch ganz vertraut vor. Ich atme zufrieden ein, nur um zu den ersten etwas schwierigeren Stellen zu kommen. Von meiner bereits vorhin nicht üppigen Oberweite ist leider noch weniger übrig geblieben und mein markanter "Stockerlhintern" hängt nun eher lasch hinten an mir dran. Ich bewege mich auf schlaksigen Storchenbeinen durch das neue Leben, aber sie tragen mich immerhin und vor allem mittlerweile schon selbständig zu meinen Terminen. Ich gewinne Sicherheit in meinem neuen Körper, wenn auch Narben, unausgefüllte Hautmulden, an deren Stellen eigentlich Muskeln sein sollten und Haare, Ausschlag oder was sich der Körper sonst so für mich einfallen lässt, auftauchen. Ich beende den ersten Selbstliebe-Bodyscan mit dem Fazit: "Es wird."


Alles beginnt sich zu verändern, was zunächst im Inneren und auf rein körperlicher Ebene stattgefunden hat, zeigt sich nun im Außen, in meinem Denken und bald schon in meinem Handeln. Ich bin nicht mehr die Alte, kann und will ich auch gar nicht mehr sein, aber die Neue bin ich auch noch nicht. Die Zwischenstation ist oftmals herausfordernd und ich entferne mich sogar von mir selbst, aber ich finde immer wieder zurück, bis ich wieder in Balance komme und EINS mit mir selbst werde. Die Zauberwörter hierzu lauten:

LOSLASSEN - SEIN LASSEN - ZULASSEN

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